Die Nutzung des Stadtraums als Parkplatz ist ein fundamentales Missverständnis.

„Licht, Luft und Sonne“ lautete das Motto fortschrittlicher Architekten und Stadtplanerinnen in den 1930er Jahren. Es betitelt ein entschiedenes Gegenmodell zur Enge und zum Elend, die in der Stadt seit Beginn der Industrialisierung herrschten. So wurde 1933 die Charta von Athen verfasst, deren Ziel es war, unter dem Einsatz moderner Techniken eine räumliche Trennung von Wohnen, Arbeiten und Erholung vorzunehmen. Breite Straßen und das Auto sollten die Verbindung dieser separierten Lebensbereiche ermöglichen. Dies war damals ganz und gar nicht selbstverständlich, denn es besaß kaum jemand ein Automobil. Bis in die 1950er Jahre dominierte die Eisenbahn. Der motorisierte Privatverkehr bestand vor allem aus Zweirädern und Kleinfahrzeugen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Städte autogerecht gemacht. Das eigene Auto avancierte zum Sehnsuchtsobjekt der aufstrebenden Mittelschicht und Jahr für Jahr wurden mehr Privatautos zugelassen. Bald schon reichte es nicht mehr aus, mehr und breitere Straßen zu bauen, denn parken mussten die Autos ja auch. Der Platz wurde knapp und knapper. Der Siegeszug des Automobils wurde zum Verhängnis. Heute spüren und kennen wir die Nebeneffekte der massenhaften Autonutzung – von den klimaschädlichen CO2-Emissionen über verschiedene gesundheitsschädliche Schadstoffbelastungen bis hin zum Lärm. Das ehemals hell scheinende automobile Freiheitsversprechen ist grau geworden.

Das Manifest der freien Straße ist unsere Antwort auf zu viele Autos in der Stadt. Es beruft sich auf das Ziel der Charta von Athen und fordert ebenso: Licht, Luft und Sonne! Aber in jeder einzelnen Straße!

In den 1930er Jahren hielt man es für das Beste, die Funktionen einer Stadt – also Wohnen, Arbeiten und Freizeit – zu trennen. Auch wenn es dafür damals gute Gründe gab, waren die Folgen ein enormer Bedarf an individueller Mobilität, die zu immer mehr Autos geführt hat.

Ganz konfliktfrei wird der Übergang nicht sein. Wird eine Straße befreit, werden einige Bewohnerinnen und Bewohner ihr Auto in benachbarten Quartieren abstellen. In der Folge kommt es dort zu mehr Verkehr und die Betroffenen werden sich zurecht beklagen. Insellösungen funktionieren auf Dauer nicht. Stattdessen bedarf es ständiger Nachjustierungen und die Befreiung weiterer Straßen muss zügig vorangehen. Dennoch wird es zumindest zeitweise immer Unverständnis, Ärger und auch Proteste geben. Alles andere ist illusorisch.

Auch wird es Unterschiede je nach Siedlungstyp geben. Verdichtete Quartiere und auch ganze Städte kommen gut ohne privaten Autoverkehr aus. In infrastrukturell schlecht angebundenen Einfamilienhaussiedlungen sieht das anders aus. Solange es kein ausreichend gutes multimodales Angebot gibt, werden die Menschen dort auch künftig noch über einen eigenen Pkw verfügen. Natürlich können auch Städterinnen und Städter aus Liebhaberei oder weil sie besondere Strecken fahren (müssen) noch ein privates Fahrzeug besitzen – diese müssen dann aber kostenpflichtig in Stadt- oder Quartiersgaragen am Rande der autofreien Zonen abgestellt werden.

Wenn befreite Straßen kein Einzelfall mehr sind, sondern so selbstverständlich wie rauchfreie Restaurants, wird sich der Bestand an Autos insgesamt drastisch verringern. Ein eigenes Auto wird zur Ausnahme. Braucht man mal eins, sind genügend günstige Sharing-Fahrzeuge in der direkten Umgebung verfügbar.

Ein paar wenige Autos fahren auch noch in den befreiten Straßen – insbesondere geteilte Fahrzeuge sowie routen-unabhängige Sammeltaxis und Spezialgefährte für Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Rettungs- und Logistikfahrzeuge, aber auch Handwerker, Baufirmen und andere Menschen, die schwere Lasten zu transportieren haben, können ebenfalls in die befreiten Straßen hineinfahren. Allerdings sind sie Gäste – und fahren entsprechend langsam und vorsichtig, um die Gastfreundschaft nicht zu strapazieren.

Der Anteil des Verkehrs jenseits des privaten Autos wächst kräftig; die allermeisten Wege werden mit einem kostengünstigen öffentlichen Nahverkehr, mit E-Rollern und -Rädern, die mit erneuerbarer Energie betrieben werden und sich an den vielen kleinen Mobilitäts-Hubs anmieten lassen, sowie mit Muskelkraft zurückgelegt. Viel mehr Städterinnen und Städter genießen den Weg zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Vor allem für Kinder und ältere Menschen sowie allgemein für diejenigen, die sich früher auf dem Fahrrad unsicher gefühlt haben, beginnt eine neue selbstbestimmte Bewegungsfreiheit. Es gibt jetzt verschiedene durchgängige Verkehrsnetze: von breiten Schnellrouten für E-Bikes, Schnellradlerinnen und große Lastenfahrräder bis zu abwechslungsreichen und sicheren Routen für Fahrrad-Flaneure und Radfahranfängerinnen.

Im Rückblick werden wir staunen, wie normal es innerhalb kürzester Zeit geworden sein wird, dass unsere Straßen nicht mehr mit unzähligen Blechkisten vollgestellt sind. Das liegt wohl vor allem daran, dass sich unser alltägliches Erleben von Straße und Stadt geändert haben wird. Den Raum in den Straßen nutzen die Anwohnerinnen und Anwohner jetzt für mehr Grün, für lokales Wirtschaften und für ihr Miteinander im direkten Wohn- und Arbeitsumfeld. Viele weite tägliche Wege sind dadurch unnötig geworden. Das trägt zum Klimaschutz bei und auch zu einem Leben in der Stadt, in der mehr Menschen von einer hohen Lebensqualität profitieren. Weil alle etwas davon haben, werden auch diejenigen leiser, die sich anfangs teils vehement gegen die Befreiung der Straße gewandt haben. Im Grunde wird niemand mehr diese neue Freiheit missen möchten.

Das zeitgenössische Leitbild der Stadtplanung und -entwicklung zielt auf die „Stadt der kurzen Wege“ ab. Gemeint ist damit, dass alle Funktionen einer Stadt innerhalb von maximal 15 Fuß- oder Fahrradminuten erreicht werden können.

15-Minuten-Stadt

Orte des Alltags (Supermarkt, Arztpraxis, Arbeit, Schule und Freizeitorte) können innerhalb von 15 Minuten mit dem Fahrrad oder zu Fuß erreicht werden.

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365€-Ticket

Ein ÖPNV-Ticket, das 1 Euro pro Tag kostet und zum uneingeschränkten Fahren in einem hinreichend großen Gebiet berechtigt. In Wien wurde dieses Modell 2012 eingeführt. Mittlerweile gibt es in Wien mehr Jahreskartenbesitzerinnen und -besitzer als angemeldete Pkw.

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Barrierefreiheit

Zum einen die Möglichkeit, dass auch Behinderte die Verkehrsangebote einschließlich des Umstiegs zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln eigenständig und ohne Umwege nutzen können. Zum anderen der günstige und technisch einfache Zugang zu digitalen Informations- und Buchungsoptionen im Verkehr.

Bus-Rapid-Transit/Schnellbus

Buslinien auf eigenen Trassen bzw. Fahrstreifen, auf denen nicht alle Haltestellen, sondern nur zentrale Knotenpunkte bedient werden.

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Flächengerechtigkeit

Die Flächenaufteilung im Verkehr kommt bisher vor allem dem fahrenden und parkenden Auto zugute. Im ersten Schritt sollte die Verkehrsfläche auf alle Verkehrsmittel nach ihren Wegeanteilen umverteilt werden. Im zweiten Schritt wird mehr Platz für verschiedene Aufenthaltszwecke zulasten des Verkehrs geschaffen.

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Mobility as a service (MaaS)

Angebote aus einem Guss, die eine digital gestützte Kombination verschiedener Mobilitätsdienstleistungen umfassen. Das schließt idealerweise einheitliche Nutzungsoberflächen, ein integriertes Ticketing und eine Mobilitätsgarantie mit ein.

Mobilitäts-Hubs

Stationen, an denen z. B. von der Straßen- oder U-Bahn auf Mieträder, Elektroroller oder Car-Sharing-Fahrzeuge verschiedener Anbieter umgestiegen werden kann. Diese Anschlussmobilität für die erste und letzte Meile wird vor allem über App-basierte Reservierungen und Buchungen ermöglicht.

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On-Demand-Mobilität

Bedarfsorientierte Angebote, die auf Aufforderung, also auf telefonische Bestellung oder per Online-Buchung, zur Verfügung stehen. Jenseits starrer Fahrpläne erlauben Rufbusse, das klassische Taxi oder App-basierte Fahrdienste wie Uber eine hohe Flexibilität.

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Shared Mobility

Alle Formen der gemeinschaftlichen Nutzung von Verkehrsmitteln, angefangen bei klassischen Bussen und Bahnen über Individualverkehrsmittel wie Rad, Scooter oder Roller bis hin zu kollektiv oder seriell genutzten motorisierten Fahrzeugen.

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Walkability

Die Eignung eines Ortes, sich darin zu Fuß fortzubewegen. Straßen und öffentliche Räume müssen dafür sicher, barrierearm, abwechslungsreich und nicht lärmbelastet sein. Zudem muss es Spaß machen, sich dort zu bewegen und aufzuhalten. Das setzt auch eine ausreichende Beleuchtung, Möglichkeiten zum Ausruhen und Verweilen sowie eine einladende Vegetation voraus.

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Begegnungszone ist eine Variante der Verkehrsberuhigung, in der FußgeherInnen Vorrang haben. Motorisierte Fahrzeuge, aber Fahrräder müssen Rücksicht nehmen. Sie müssen entsprechend langsam und umsichtig fahren.
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Bench Bombing meint das Aufstellen von nicht am Boden fixierten einfachen Stadtmöbeln, die von Passanten individuell arrangiert werden können.
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Charta von Athen ist eine programmatische Erklärung von Architekten und Planer aus den 1930er Jahren, in der das Planungsideal für die modernen Stadt formuliert wurde: die Funktionen sollen räumlich separiert werden. Seit den 1960er Jahren erhielt diese Trennung von Wohn- und Arbeitsstätten durch die zunehmende Motorisierung und den Ausbau der Verkehrssysteme in der Bundesrepublik tatsächlich einen kräftigen Schub beziehungsweise wurde sie erst ermöglicht.
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Parklets sind Terrassen in der Größe von 1-2 Parkplätzen als temporär oder dauerhafte Erweiterung des Bürgersteiges. Häufige werden sie als Sitzgelegenheiten, Spielflächen, Pflanzbeete oder für Kunstprojekte genutzt. Ihr Ziel ist es mehr Platz für Menschen statt Autos zu schaffen.
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Reclaim the street ist eine aktivistische Jugendbewegung mit Ursprüngen in den 1990er Jahren. Sie setzt temporäre Besetzungen in der Form von Flashmobs oder sit-ins ein. Ihr Ziel ist die Rückeroberung von Lebensräumen, in erster Linie von Straßen und Plätzen, von denen das alles dominierende Auto verdrängt werden und zugleich ihre Kommerzialisierung verhindert werden soll.
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Segregation in Städten meint die Entmischung der Bevölkerung entlang von Einkommens- und Bildungsunterschieden, aber auch nach ethnischen, religiösen oder anderen Merkmalen. Wie stark die Segregation ausgeprägt ist, kann als ein Indiz für eine Polarisierung der Gesellschaft mit einem entsprechenden Konfliktpotenzial gesehen werden.
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Shared Space meint eine gemeinsame Nutzung von öffentlichem (Verkehrs-)Raum. Um shared spaces - oder auch Begegnungszonen - erfolgreich und auf Dauer zu etablieren, braucht es eine sehr niedrige Pkw-Frequenz, weil ansonsten die faktische Dominanz des Autos alle Appelle und Verhaltensempfehlungen ins Leere laufen lässt.
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Soziale Kontrolle ist nicht nur eine technische Überwachung durch Videokameras und Zugangsbarrieren. Hier wird soziale Kontrolle verstanden als informelle Kontrolle, die schon durch die Anwesenheit und die Aufmerksamkeit von verschiedenen Personen im öffentlichen Raum die Schwelle erhöht, dass unsoziales Verhalten bis hin zu Vandalismus oder körperliche Gewalt Überhand gewinnen.
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Verkehrsberuhigung umfasst verschiedene Formen, die die negativen Auswirkungen von Verkehr besonders für Zufußgehende und Radfahrende begrenzen. Das passiert vor allem durch Regeln zur Geschwindigkeitsbegrenzung und durch bauliche Hindernisse für zu schnelles Fahren.
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Innovationsökosystem ist ein Begriff aus der Innovationsforschung und bezeichnet ein Cluster oder Felder von Innovationsaktivitäten in bestimmten Themenbereichen. Da Probleme, die durch innovative Ideen gelöst werden sollen, häufig sehr komplex sind, braucht es dazu das Know-how und die Perspektive ganz unterschiedlicher Personengruppe. Doch auch Städte oder Quartiere können Innovationsökosysteme bilden, bei denen der Fokus auf der gemeinsamen Entwicklung von Stadt- und Straßenräumen liegt, wie bspw. bei Projekten der „genossenschaftlichen Quartiersentwicklung“.

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